Bevor ich mich etwas ausführlicher über die vergangene Donnerstagstour auslasse, auf dass die Außenstehenden erfahren, was wir ADFC-Menschen neben dem Klagegeschrei über die für Fahrradfahrer bejammernswerte Verkehrssituation in Voerde treiben, lasse ich mich etwas über “Tourenleiter” aus.
Was ist ein Tourenleiter? Nur einer – es dürfte auch eine sein, die wir leider noch nicht haben -, der
eine Strecke abradelt, zunächst allein als “Vortourer”, und dann ein paar Tage später dieselben Wege noch einmal mit zehn, dreißig oder noch mehr Radelbegeisterten im Schlepp fährt? Ist es ein vom ADFC gekürter “ADFC-TourGuide”, dem man im Rahmen einer Schulung viel erzählt hat, wovon er als normal sozialisierter Mensch manches schon vorher wußte? Ja, das soll den Tourenleiter ausmachen. Was aber ist ein perfekter Tourenleiter? Gewiss meidet er “strubbelige” Wege , kennt alle Orte, an denen das elektrisch angeschobene Zweirad mit Strom versorgt werden kann, hat die Fähigkeit, Regengebieten auszuweichen findet auch mitten im Winter Maisfelder, in denen man sich ungesehen entwässern bzw. “telefonieren” kann und falls nicht, führt er auf einem Anhänger ein DIXIKackhäuschen mit sich. Sind diese Bedingungen und noch einige weitere dazu erfüllt, ist er unbestritten der perfekte ADFC-TourGuide, mit oder ohne Lizenz. Haben wir, ADFC Dinslaken-Voerde e.V., solche in unseren Reihen?
Wo nicht, kann es Klagen geben, unwilliges Gemurmel über die Tourenleitung. So gelangten wir am Donnerstag nach 17 km an eine Wegstrecke, wo es Esskastanien geben sollte. Die Ausbeute war jedoch sehr mager. Warum auch immer, und ein Kackhäuschen war auch nicht in erreichbarer Nähe, an ein Maisfeld gar nicht zu denken. So etwas kann die Stimmung trüben. Wir querten eine Bundesstraße und fuhren auf ein Gebiet zu, über dem sich tief hängende, graue Wolken türmten. Es fieselte. War Regenzeug angesagt oder nicht? Als dann bei einer Pause die Radelnden ein Tischchen mit Esskastanien entdeckten, die man für 50 Cent je Beutel erwerben konnte, hellten sich die Mienen der frustrierten Sammler auf. Sie kauften auf, was zwei Knäblein an Kastanien noch weiter herbeischleppten. Auch wenig später in winzigen Plastikbecherchen dargereichte Medizin zur Aufbesserung der Stimmung blieb nicht ohne positive Wirkung.
Vor Haldern, dem nördlichen Punkt der Tour, gab es nach kurzem Besuch des spätmittelalterlichen Wohnturms, dem Battenbergturm, eine einstündige Pause an der Bäckerei Jansen. Das rief allerdings eine gewisse Irritation hervor, denn der Drostenhof war im Gespräch gewesen. Doch zeigte sich, dass das Angebot hier bei Jansen durchaus günstig und umfangreich war, das Ambiente vielleicht nicht so, wie erwartet. Weiter ging es um das Reeser Meer zu dem Demeter-Hof Clostermann.
Unterwegs hatten vor allem die Neuligen unter den Donnerstagsfahrern ein besonderes Erlebnis: Einer der Radelnden ließ den aus der Primärtherapie von Arthur Janov bekannten Urschrei ertönen. Nach Janov dient der Schrei dem Abbau erlittener, schmerzlicher Erfahrungen. War es hier die Frustration über die magere Kastanienausbeute, die nicht einmal das Nüssesammeln wenig später hatte wettmachen können? War es Ärger über den Tourenleiter? Oder waren es die links des Weges friedlich weidenden Sibirischen Wildgänse, denen der Schrei galt? Vielleicht war es nur der etwas infantile Wunsch, diese niederrheinische Idylle zu stören. Und das klappte.
Vor und hinter Wesel zerbröselte wie gewöhnlich nach einer solchen Radtour die Gruppe, weil alle sich nun nach den heimatlichen Gefilden sehnten.