Schlößer – Römerstraße 19
Eine meiner Notizen erinnert mich daran, dass ich seit 2010 an den Donnerstagstouren teilnehme. Manche fahren schon viel länger unter der Führung des OTL mit, wenn nicht noch weit früher. Andere sitzen nahezu jeden Tag auf dem Fahrrad und radeln durch die Gegend. Die kennt man folglich, wie seine Westentasche oder frau ihr Handtäschchen. Wie soll es da noch neue, gar unbekannte Pfade
geben? Lassen sich da überhaupt neue, bisher nicht erradelte Wege finden, die zudem nicht “strubbelig” sind? Sicherlich gäbe es einige zu entdecken. Das aber würde mit einem gewissen Verlust an Bequemlichkeit einhergehen, wäre mit Schwierigkeiten verbunden und brächte dem jeweiligen Tourenleiter mit Sicherheit viel Schelte ein. Also sollen es, wenn möglich, vertraute, befestigte, asphaltierte, verkehrsarme bis -lose, steigungsfreie und windstille Wegen sein. Und das hatte der Fahrradtrossführer oder Tourenleiter am Donnerstag der 47. Kalenderwoche vortrefflich geschafft. Er hat die vielen Anforderungen bewältigt. Da gab es sogar kurze, donnerstags bislang noch nicht beradelte Wegstücke, die keine strubbelige Oberflächenstruktur hatten. Verkehrsarm aber waren manche Abschnitte nicht, was man keinesfalls dem Tourenleiters anlasten konnte, sondern bei der Siedlungsstruktur der durchfahrenen Gegend unvermeidbar ist.
Soweit die Vorrede zu dem sicherlich unvollständigen Bericht über diese DonnerstagsRadelei, an der trotz kühler Temperatur bis zu einundzwanzig Personen teilnahmen, unter denen drei ‘gefühlte’ Neuling waren, Personen die man noch nicht zur “Stammbesatzung” rechnen konnte, wenn ich diesen in dem Zusammenhang etwas abwegigen Ausdruck einmal benutzen darf.
Als Ziel war “Schlößer, Römerstraße 19” publiziert, worunter ich mir nichts vorstellen konnte. Die Kundigen jedoch wussten genau, was auf sie zukam: Ein mit Autos vollgestellter Platz vor einem der tausend Zentren, die es in der Republik gibt. Hier war es eins, das Garten, Blumen und mehr wie weniger Dazugehöriges anbietet, wie Engelchen aus Keramik oder Bilderbücher zu Weihnachten.
Soweit ich es überblicken konnte, verfiel niemand dem drohenden, vorweihnachtlichem Kaufrausch
und zog ernsthaft in Erwägung, den weißen Keramikhirsch in verschiedenen Größen, Sterne, Blümchen oder Pötte, für was auch immer, mitzunehmen. Derartige Vorhaben wären schon an der Ladekapazität gescheitert. Die mitgeführten Fahrradgepäcktaschen hätten für derlei Firlefanz bei weitem nicht ausgereicht. Man eilte daher durch die von den unterschiedlichen Angeboten gesäumten Gänge stracks zu dem gastronomischen Bereich des “Centers”, der sich “Schloßcafé” nannte. Um etwas Schlössiges anklingen zu lassen, war eine Wand wie eine durch Nässe eingelaufene Schloß-Fassade gestaltet, hinter der angeboten wurde, was man sich als Radler nach etwa 35 km Fahrleistung fürs leibliche Wohl nur wünschen konnte. In weiser Voraussicht hatte der TL Plätze reserviert.
Ging es bis dahin nach Süden, leitete der TL die Gruppe nun gen Norden, zur Heimat zurück. Da führte der Weg durch städtisches Gebiet, an Wohnsilos vorbei, wie manche sie von Brooklyn NY her kennen mögen, Silos, die einst die “Neue Heimat” errichtet hat. Als architektonischen Kontrast sahen wir wenig später eine Zechensiedlung, deren Häuser man dagegen in ihrer äußeren Gestaltung einfach als “schön” bezeichnen kann.
Am Uettelsheimer See, einem mit Wasser gefülltem Loch, das von 1969 bis 1992 ausgehoben worden war, pausierten wir ein letztes Mal, bevor wir bei Orsoy der Fähre harrten, die uns an das andere Ufer des Rheins bringen sollte. Der “alte Vater Rhein” lud bei dem niedrigen Wasserstand mit breitem, sandigem Strand zum Bade ein. Wäre es nicht mit wenigen Graden über Null zu kalt gewesen! Drüben angekommen, fiel die Gruppe auseinander. Das Verlangen, die häuslichen Gefilde von hier aus auf kürzestem Weg zu erreichen, gab jetzt die Richtung an und nicht mehr des Tourenleiters Weisung.