Eine ältere Dame kam nicht umhin, uns, den munter daher radelnden Älteren, auch “Senioren” genannt, “viel Spaß” als Wunsch nachzurufen. Sie ahnte nicht, wie verstimmt und noch nicht auf Spaß getrimmt wir waren. Hatte sich doch ein Halbdackel* von Ordnungshüter, also ein Angehöriger der Polizei, mit seiner, von uns Steuerzahlern finanzierten Karre mittenmang auf den Radweg gestellt und quatschte mit einem fußläufigen Zivilisten, ohne mit uns ernsthaft kommunizieren zu wollen und unseren Verdruss über die Wegsperre auch nur andeutungsweise zur Kenntnis zu nehmen. So mussten wir uns nun mit den Rädern um dessen Fahrzeug herumquetschen. Das war nicht irgendwo im Wald oder in einem westfälischem Dörflein, sondern an der stark befahrenen Kreuzung zur Rheinbrücke in Wesel. Wen wundert’s, dass wir in unserem deutschen, demokratischem Bürgerstolz überaus gekränkt waren. Ja, das verdross uns. Aber mehr noch: Niemand hatte daran gedacht, die Szene fotografisch festzuhalten, wird doch sonst bei jedem Un- und Schwachsinn das Handy gezückt. Hier nicht! Man hätte … Hat aber nicht. Und jetzt sollen wir Spaß haben? Der Spaß sei etwas, über das gelacht werden kann, ja soll, und gilt als Bestandteil des Humors, ist bei Wikipedia zu lesen. Salopp gesagt: Der Bulle war eine länger wirkende Spaßbremse.
Der Ärger über den Angehörigen der Ordnungsmacht und über die eigene Dusseligkeit konnte jedoch
nicht voll ausgelebt werden, weil der Tourenleiter uns, die ihm Folgenden, durch das Städtchen Hamminkeln führte, als ob er jede Menge Einfamilienhäuschen mit und ohne Gärtchen zum Kauf anböte. Ich erinnerte mich bei dieser Herumgurkerei an den Irrgarten, den ein Bauer in seinem hoch gewachsenen Maisfeld angelegt hatte oder an meinen letzten Besuch bei IKEA. Ob Maispflanzen, Häuschen oder Mobiliar – man wurde von dem eben erlebten Verdruss abgelenkt, musste sich hier vielmehr auf Poller, Kanten, auf tote wie lebende Verkehrshindernisse konzentrieren.
Als der Fatrofüh dann des Städtchens bekannte Backwarenfabrik ansteuerte, murmelten einige die Vermutung vor sich hin, er habe das angesagte Ziel mit diesem Unternehmen verwechselt. Das erwies sich als ein Irrtum, denn schon nach kurzer Pause hieß er den Tross weiterfahren und lenkte ihn zu Hagemanns Hof, einem ehemals landwirtschaftlichen Betrieb. Wo einst das Rindvieh Wasser soff Heu und Kraftfutter zu sich nahm, kann heute von Radlern Kaffee und Kuchen verzehrt werden. An letzterem, das muss man dem Unternehmen zugestehen, war hinsichtlich Geschmack und Stückgröße ganz und gar nichts auszusetzen. Das trug dazu bei, dass der Ärger etwas schwand und man sich dem Genuss von Torten hingeben und den Kaffee behaglich schlürfen konnte. Zu erwähnen sei noch, dass einige der Mitfahrenden am Vortag von einem Regenguss überschüttet worden waren. Davon berichteten sie so, dass einem schon beim Zuhören das Wasser aus den Haaren troff.
Nach angenehmer Pause setzten wir die Fahrt so langsam fort, dass man wie frau “vom Fahrrad zu fallen drohte”, um NN1 zu zitieren. Warum? NN2 habe etwas vergessen, wisse aber nicht was, scherzten einige. Sobald die Nachzügler als gelb Bewestete gut sichtbar nahten, ging es in flottem Tempo weiter durch Wiesen, Feld und Wald. Am Bahnhof Peddenberg gebot der Fatrofüh Halt und informierte die ihm Lauschenden über die Geschichte des Bahnhofs, der seit 1974 keiner mehr ist.
Dann zerbröselte die Schar so, dass schließlich von den maximal 21 Teilnehmern*rinnen nur noch sechs gen Voerde fuhren, um noch vor Erreichen des Endpunktes, Schrottsäule Voerde, erneut in verschiedene Richtungen auseinander zu stieben.
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* Schwäbisch Schimpfwort in etwa mit der Bedeutung Vollidiot im Deutschen und gewichtiger als „Knallkopp“ im Rheinischen