Winter! Das ist eigentlich keine Zeit, Radtouren anzubieten oder gar zu unternehmen. Zu kalt, zu nass, zu usselig, alles grau, Wege zu glatt – da fährt eh keiner mit. Stimmt nicht! Wir sind gefahren. Donnerstags fährt Mann wie Frau Rad, ADFC-Menschen allemal. Natürlich nicht nur donnerstags, auch Brötchen- oder Bierholen wird selbstverständlich alltags wie sonntags mit dem Zweikreiser erledigt, ob mit oder ohne elektrischem Hilfsantrieb. So stand denn am Donnerstag der 5. Woche wieder der Termin mit der unausgesprochenen Aufforderung, “auf die Sättel, Ihr Radler♀♂!”, im Kalender. Das Ziel ist bekanntlich der Weg, und Einkehr war bei Winkelmann in Mehrhoog vorgesehen, was mit einer Streckenlänge von 61 km verbunden und allen im Verteiler Erfassten mitgeteilt ward. Start ist seit einiger Zeit bekanntlich vor dem Rathaus der Stadt Voerde. Seitdem der Blick über die Wiesen vom Haus Hinnemann, dem mit Schließung der Kutsche zum gastronomischen Zentrum in der Stadtmitte avancierten Unternehmen, verbaut ist, geht es von hier aus normalerweise immer los.
Schon die Fahrt zum Ausgangspunkt der Tour geriet zu einer gewissen Herausforderungen an jedes Individuum, das auf zwei kreisenden, Gummi bereiften Rädern sich fortbewegt. Dies umso mehr, als nach vierzig- oder fünfzigtausend Kilometern Fahrleistung von einem scharfen Profil nicht mehr die Rede sein konnte. Eine lockere und flotte Fahrt, das fürs Radeln übliche leicht kurvige Dahinfahren, war nicht möglich. Warum? In der Nacht oder am frühen Morgen hatten Fahrrad Fahrende in dem frisch gefallenen Schnee schon Spuren gezogen. Obgleich von einem städtischen Salzstreuer in früher Morgenstunde salzig berieselt, waren diese aufgrund bestimmter physikalischer Abläufe zu Rillen erstarrt. Sie waren hart geworden, wie zu Eis Erstarrtes eben zu werden pflegt, gaben schienengleich dem daher Fahrenden Spuren vor. Mithin war höchste Aufmerksamkeit im Interesse der körperlichen Unversehrtheit gefordert, es sei denn, der ♀♂ Radelnde weicht auf die völlig eis- und schneefreie Fahrbahn für Kraftfahrzeuge aus.
Der Platz vor dem Rathaus war von losem Schnee schon befreit. Aber der noch liegen gebliebene genügte, die “Rheindörfer”, das heißt die Steine mit den entsprechenden Namen, zu verdecken und den Eindruck von Glätte zu vermitteln. Daher querte eine Radfahrerin zaghaft die Fläche, ein Mann mit einem zweirädrigen Einkaufswägelchen eilte vorüber und ein paar Menschen betraten durch die sich surrend öffnende Tür das Rathaus. Unter dem Vordach harrten die Radbegeisterten aus bis zur angegebenen Startzeit, zehn Uhr. Ein mit gelber Weste versehener Radfahrer ließ sich blicken. Wollte er zu den Wartenden? Sie waren schon voll der Freude über einen weiteren Tourenteilnehmer, rätselten, wer es sein könnte, als jener abbog. Er hatte ganz offensichtlich nicht vor, an dem Ausflug teilzunehmen. Vielmehr stellte er sein Fahrgerät ab und verschwand, vielleicht von Hunger geplagt oder des Geldes wegen, in dem auf der anderen Seite des Platzes gelegenen Gebäude mit dem Backwarengeschäft Ernsting und dem Zugang zur Sparkasse.
Nun konnte es losgehen, denn es war zehn Uhr. Die Gruppe verließ den Platz, ohne der möglichen Glätte wegen die Schrottsäule in der Mitte zu umfahren. Man radelte auf der Straße, die auch hier der Kraftfahrzeugfahrer wegen schnee- und eisfrei gemacht war, so dass der Fahrbahn keine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden musste. Es war sogar möglich sich zu unterhalten, wie das bei Ausflügen dieser Art eben üblich ist. Nach Überquerung des Hammwegs änderten sich auf dem Heideweg die Bedingungen. Das Gespräch erstarb, und die Beschaffenheit des Weges erforderte größte Aufmerksamkeit. PKW-Spuren und Schrägen in der Fahrbahn, die man normalerweise gar nicht zur Kenntnis nimmt, könnten, so glaubt man bei derartigen Verhältnissen, zum Sturz führen. Die Fahrerei mag ein Beobachter als ein Daherschlingern bezeichnen. Das wäre jedoch eine Übertreibung. Man bewegte sich auf den Rädern eben vorsichtig, gleichwohl zügig, suchte Wegstücke, die schneefrei zu sein schienen, und wechselte daher häufig die Spur. War hier niemand unterwegs, war das problemlos möglich. Rechts und links mit Schnee bedeckte Felder, eine Winterlandschaft, die ob der viel zitierten Klima-Erwärmung in unseren Breiten nur selten ist und dann wahrgenommen werden sollte.
Unfallfrei ward die Grenzstraße erreicht, die ebenfalls ohne Schwierigkeiten, man könnte auch sagen “problemlos”, zu befahren war.
Wie es sich geziemt mit Handzeichen bog die kleine Gruppe in den Zunftweg ein, wo gemäß Plan B die Tour oder den Ausflug bei der schlesischen Landbäckerei Mandrella endete. Da fand sich unversehens ein weiterer Radler ein, der sonst donnerstags auch mitzufahren pflegt. Er habe sie, so sprach er, am Rathaus nicht mehr angetroffen und sei deswegen so schnell wie möglich hier her gekommen. Ob von Sehnsucht nach oder zu den Radlern getrieben oder vom Hunger, blieb ungeklärt. Er wusste von dem Plan B und somit, dass er sie hier antreffen würde. Nun erwog man – eher im Scherz – sich auf den vor dem Geschäft stehenden Sitzgelegenheiten niederzulassen, was man verständlicherweise nicht in die Tat umsetzte. Zwar schien mittlerweile etwas die Sonne, aber es war eben winterlich kalt. Es waren zudem keine Energie fressenden Heizvorrichtungen für eine gewisse Gemütlichkeit vorhanden, wie sie mitunter in größeren Städten antrifft.
Also standen nun alle in dem Laden vor dem überreichlichen Angebot an unterschiedlichen Kuchen, Brot und Brötchen und versicherten einander, dass man nicht speisen, sondern einfach “ein Tässchen Kaffee” oder „Kakao ohne Sahne“, versteht sich, zu sich nehmen wollte. Platz war für alle genug, denn es waren ja nicht mehr als drei Personen. Sobald alles getrunken, alles, was augenblicklich aktuell zu sein schien, zur Sprache gekommen war, fiel die Gruppe auseinander, weil nun jeder ein anderes Ziel hatte.
Damit endete der Donnerstagsausflug der 5. Kalenderwoche unfallfrei und sehr harmonisch.
Letztendlich einen Limerick dazu:
Wir radelten zu Mandrella.
Bei Sturm wir war‘n da ja schomma,
Bei Kälte wir rein, wir war‘n nun zu drei‘n,
Dabei hatten wir gar keinen Hunga